Sehr schöner Spenzer aus der späten Biedermeierzeit, ca. 1840. Herkunftsort: München. Beim Spenzer handelt es sich überbegrifflich um eine Schoßjacke, die als zentrales Element der bürgerlich-städtischen Mode im 19. Jahrhundert eine große Rolle gespielt hat. Wie jede Modeerscheinung, so ist auch der Spenzer vielfältigen Veränderungen unterworfen. Der Spenzer ist als hochmodisches Gewandteil bewusst auch als äußerliches (modisches) Abgrenzungsmerkmal zum bäuerlich-ländlichen Kleidungsverhalten getragen worden. Ähnlich wie Adel, Klerus und Militär erschuf sich das Bürgertum eine eigene augenfällige Erscheinungsform, die im geschaffenen Wohlstand einen gemeinsamen Nenner fand. Diese Wohlhabenheit, die durchaus eine Grundvoraussetzung für das Auftreten der kostenintensiven Bürgerinnentracht war, findet sich in der Haupt- und Residenzstadt München (1806 wird das Königreich Bayern gegründet) über kleinere Städte bis hin zu Märkten, die affin zu München ihren Blick eben dorthin richteten.
Dieser Spenzer stammt ungefähr aus dem Jahr 1840. Um 1840 begann man, Rosshaar (franz. crin) in die leinen (franz. lin) Unterrockstoffe einzunähen. Die „Crin-o-lin“ bzw. die Krinoline war erfunden. 1856 kam dann die preisgünstige Krinoline aus flexiblen Stahlreifen auf den Markt. Diese veränderte nachhaltig die Taillen- und Rockproportionen. Diese wiederum veränderten in Folge die Jackenformen. Dieser Spenzer hat immer noch eine große Taillenerhöhung. Darum datieren wir ihn auch an den Anfang dieser Zeit. Der Ausschnitt vorne ist eckig bis kantig. Rückwärts läuft der Ausschnitt spitz zu. Um den Ausschnitt ist ein flacher Dekor angebracht. Es sind gedrehte und geflochtene Oberstoffstreifen und eine Häkelspitze, die die Auszier bilden. Dabei werden die Farben der Seide Ton in Ton aufgenommen: schwarz und braun. Die Seide ist mit Satinstreifen in schwarz versehen, die Musterung kräftig. Haken und Ösenverschluss unter angeschnittenem Übertritt links über rechts. Torso fast gänzlich mit Kartoneinlage verstärkt. Innen mit gestreiftem Baumwollchintz abgefüttert. Hinten sechslagiges Bäuscherl. Dicht gereiht Armkugeln. Lange Ärmel, die an den Ärmelenden mit je drei Knöpfen geschlossen werden. Baumwollvlieseinlage in den Ärmeln. Für das Alter: Sehr guter Erhaltungszustand. Zwei Ösen fehlen. Leichter Abrieb in der Seide. Alte Unterarmreparatur (rechter Arm). Kleinere Risse in der Seide. Im Bereich der Brust fehlt ein wenig schwarze Häkelspitze.Die Dekoration ist nicht inbegriffen.